Grüezi und herzlich Willkommen

Ich nehme Sie mit auf eine Reise….
22 Kapitel: Die zweite Hälfte – Jahr 2016
*Man sagt, ein Mensch hat in seinem Leben zwei Halbzeiten des Lebens. Die eine, die Erste ist ein Lernen. Erwachsen werden, lernen und sich eingliedern. Im Alltag, bei der Menschheit, in der Zivilisation. Die Zweite ist ein sich vervollständigen und lernen zu verstehen…..*
*Fuck, fuck fuck! Ich kann nicht mal diese eine Arbeit erledigen…..*
*Beruhige Dich Uli, vielleicht muss es so sein…*
*Lass mich in Ruhe….* wies ich Andreas fauchend von mir weg. Das verletzte Tier, da war es wieder. Weitaus gefährlicher in seinem Schmerz als je zuvor.
Widerwillig marschierte ich in die Arztpraxis. Ich war nur noch ein einseitig funktionierender Mensch. Ich hatte einen ärztlichen Termin, den ich nicht wahrnehmen wollte und dennoch musste. Der Verstand war klar, die Bedürfnisse ebenfalls, der Körper jedoch ein Schiff mit Leck. Er hatte einige Baustellen. Was ich mir nicht eingestehen wollte, zeigte mir die Arztpraxis sehr schnell auf. Das Einzige, was mir geblieben war, ich konnte spazieren. Ich konnte gehen, doch wie?!. Den Oberkörper aufrichten, die Arme ausstrecken, nach oben langen, alles ein Ding der schieren Unmöglichkeit. Der Schmerz, die Pein, den ich fühlte, zu sehen, wie ich nicht konnte, auch wenn ich wollte, ich brach innerlich zusammen. Das letzte bisschen Würde, mein Stolz, zerbrach in tausend Stücke. War’s das? Mit 45 Jahren? War es so? Ist so das Leben? Das Ärzte Team benötigte nicht lange, um mich ziemlich genau einzuschätzen. Die mentale Verfassung, die körperliche Gesundheit. Ich wurde vollends aus dem Verkehr, aus der Arbeitswelt gezogen. Ruck, zuck und weg! Als ich aus der Praxis kam, war ich älter als je zuvor. Es fühlte sich gebrochen an, ein Schatten meiner Selbst. Alleine, völlig orientierungslos setzte ich einen Fuss vor den anderen und zog los. Noch nie hatte ich so viel Zeit benötigt, um nach Hause zu gelangen. Was für die Kinder ein Klacks war, für Andreas völlig normal, war für mich plötzlich zu einer unglaublichen Herausforderung geworden. Genau wie mein Vater, als er brach an seiner Krankheit, versteckte auch ich die Pein, das Leid, das volle Ausmass meiner körperlichen und mentalen Verfassung. Die Erfahrung einzubrechen war für mich wohl bis dahin, die grösste und schwierigste Lebenserfahrung, die ich erfahren durfte. Nichts und niemand konnte mich bis dato überhaupt aufhalten. Ich wusste immer, ich konnte Berge versetzen. Ich wusste immer, ich konnte mich auf mich selbst zu 100% verlassen. Was anderen unmöglich schien, war für mich machbar. Wir, Andreas und ich, die Macher. Hatten wir einander, konnte nichts schief gehen. Wir konnten unsere Familie tragen. Denn nichts war unmöglich! Und doch durfte ich nun erleben, was viele vor mir und vermutlich auch nach mir erleben werden. Das der Mensch eben auch nur ein Mensch ist und bleibt. Das es Grenzen gibt, Grenzen, die uns Menschen zeigen, dass wir nicht immer alles bewältigen können und dass wir nicht unsterblich sind.
Damals sah ich in den Weiten des Internets einen Aufruf: Lebenscoach oder ganz einfach ausgedrückt *Schamanismus*. Die Beschreibung ließ mich aufhorchen. Eine Jahresausbildung als Lebenscoach? Das war es! Genau das! Ich war bereit eine Ausbildung zu absolvieren und daraus meine eigene Arbeitswelt zu erstellen. Was hatte ich schon zu verlieren? Hätte ich damals nicht so gedacht, nicht so gefühlt, hätte ich wohl meine zweite Lebenshälfte nie gefunden. Schamanismus ist ein Lebensweg, den nicht viele betreten und beschreiten. Denn dieser eine Weg, ist nun wirklich nichts für schwache Nerven! Bevor der Schamane geboren wird, muss er erst sterben und jede Person, die zu einem Schamanen geboren wird, wird durch das Sterben, den Tod erkennen, dass man nicht nur Opfer war, sondern auch ein Täter. Ich durfte so viel lernen! Aber ich möchte auch betonen, ich bin KEIN Schamane und werde es wohl auch nie. Doch dieses eine lehreiche Jahr, war eine Wohltat für meine Seele, für mich und schlussendlich auch für meinen Körper. Eine unglaubliche Forderung an meine Person, mein Wesen, mein tiefstes Innere zu betrachten. All meine Facetten wurden mir deutlich aufgezeigt. Ich sah ein kleines, verwundbares Kind, das im Grunde doch nur eines wollte, geliebt zu werden. Mein inneres kleines Wesen. Zu erkennen, was ich alles verloren hatte, welche Verletzungen ich trug, wie hoch die Last doch geworden war und wie kriegerisch ich umherzog, es war nicht leicht. Aber ein friedvoller Krieger trug dieses kleine Mädchen voran...
Damals zog sich die Zuchtarbeit in den Hintergrund zurück. Ich glaubte damals, dass es richtig so war. Und ich benötigte diese Zeit nur für mich. Wir hatten zwar Jungtiere und ich erledigte auch die Zuchtarbeiten, vor allem und hauptsächlich die Putzarbeiten. Doch für das mentale Tierwohl war damals wie heute, wohl mehr unsere Tochter zuständig. Nicht das ich nicht auch unsere Kätzchen genoss, aber ich spürte auch, wie sich diese Arbeit in den Hintergrund drängte. Heute wenn Nadja die Kleinsten betreut, bin ich meist mit dabei. Doch damals ging es so weit, dass ich nicht wusste, welcher Zwerg, welcher war. Ich sorgte für das reibungslose Verpflegen der Tiere, die Sauberkeit im Wohn- wie auch im Lebensbereich der Familie und der Tiere, aber das, was letztendlich die Norwegische Waldkatze ausmacht, diese Offenheit, diese Neugierde, dieses liebliche Wesen, anhänglich, begleitend und liebenswert, diese Züge eines jeden einzelnen Kitten zum Vorschein zu locken, zu halten und zu pflegen, diese Arbeit trat bei mir definitiv in den Hintergrund. Den im Grunde war ich nun fast an jenem Punkt angelangt, dass ich aufgab. Sollten sich somit die Tore der Zucht A-Riverway schliessen? Für immer? Für mich war es damals in Ordnung. Doch hätte ich damals in diesem einen Jahr mich zu diesem Schritt verleiten lassen, so hätte ich für einige Kastraten einen neuen Lebensplatz suchen müssen. Denn damals konnten wir nicht alle Tiere halten. Es wäre zu umständehalber und auch zu kostspielig gewesen. Was ich früher konnte und für mich selbstverständlich zu einer Zuchtführung gehörte, ging für mich auf einmal nicht mehr. Das Weggeben unserer Tiere. Das Umplatzieren. Ich konnte nicht! Und ich wollte es auch nicht!
Heute weiss ich, dass ich damals diese Zeit für mich benötigte um vollständig gesund zu werden, weil ich schon lange krank war. Ich war niemals bereit, mein eigenes Ich, meine Seele, meinen Geist, meinen Körper zu hegen, zu pflegen, um gesund zu werden. Ich bin dankbar, dass meine Familie diese Zeit mit mir getragen hat. Getragen damit ich mich über 2 Jahre lang, auf einen ganz speziellen Weg fokussieren konnte. Denn genau dieser eine Weg brachte mich letztendlich wieder dahin zurück, wo ich immer schon gewesen war und wo ich hingehörte. Ein kleines Mädchen, dass mit Tieren aufwuchs. Genaugenommen mit Katzen.
Im Jahre 2017 stieg ich erneut in eine Ausbildung ein. Die Tierkommunikation. Während unsere älteste Tochter sich ebenfalls in der Zucht versuchte. Sie gründete und führte Ihre eigene Zucht *Berg Sion’s* und adoptierte aus Ungarn eine Zuchtkatze. Nordic Verden Maggie Greene. Damals glaubten wir gute Zuchtfreunde in Ungarn gefunden zu haben. Doch richtige Freundschaft beweist sich erst, wenn sie geprüft wird. Eine einzige Schweizer Zucht lies Fremde aus uns werden.
Eine Schweizer Zucht, der es unendlich wichtig war. Lügen, Unwahrheiten, Boshaftigkeit breiteten sich in der Schweizer Zuchtszene aus. Sie erreichten auch Ungarn. Niemals, nie! Weder als Maggie bei uns war noch danach, hat Maggie’s Zuhause je nach ihr gefragt. Doch nun mussten wir innert 5 Minuten beweisen, dass Maggie noch lebte und wir konnten! Maggie lebt auch heute noch. Sie ist gerade 9 Jahre alt geworden und eine ziemliche kleine Zickenprinzessin. Sie mag ungeteilte Aufmerksamkeit 😊
Während dieser Zeit stieg ich vollends in die Tierkommunikation ein. Mit anderen Teilnehmern zusammen wurden wir geschliffen und die Faszination, Tiere zu verstehen hätte niemals grösser sein können. Als wir auf einem Gnadenhof mit Tieren kommunizieren mussten, um zu sehen, wie weit unsere geschulten Sinne offen waren, war es für mich wohl einer der bewegendsten und tiefgreifendsten Höhepunkte bis dahin in meinem Leben. Längst hatte ich erkannt, dass ein bisschen dieser medialen Fähigkeiten seit meiner Kinderzeit in mir schlummerte. Ich hatte Erlebnisse, die weit über meine Sinne und weit über meinen Verstand hinausgehen. Nahtoderfahrung, Vorahnungen, ausserordentliche Wahrnehmungen. Doch irgendwann erkannte ich auch, dass ich zu viel von mir abverlangte. Ich begann mich selbst unter Druck zu setzen. Ich wollte mehr und wollte mich nicht in Geduld üben. Es wurde zunehmend schwieriger unter diesem Druck, eine saubere und einwandfreie Kontaktaufnahme zu vereinzelten Tieren aufzubauen. Sie zu hören, sie zu sehen und zu fühlen. Ich arbeite mit drei Sinnen und manchmal schaltet sich auch der vierte Sinn ein. Die schönsten Erlebnisse waren meine eigenen Tiere plötzlich ohne Vorwarnung, ohne Uebungen zu hören, zu verstehen. Wenn auch diese Kommunikationen nur in geringem Masse waren. So waren sie fantastisch. Metamorphosen zu haben, mich plötzlich mit Wildtieren verbinden zu können und vor allem zu verstehen, die Dinge aus ihrer Sicht, das Geschehnis, zu sehen. Die Erlebnisse, die mich aber am meisten prägten, waren die Sterbebegleitungen. Diese waren am intensivsten, sehr klar und deutlich und wunderschön. So verrückt es auch klingen mag! Auf meinem zweiten Lebensweg kreuzte wieder meine Kindheit, die Erinnerung, das Empfinden, meinen Weg. Ich konnte mich erinnern. Damals als Kind im Krankhaus, weil ich eine gängige Operation hatte. Mandel- oder war es eine Blinddarmentzündung? Ich weiss es nicht mehr. Woran ich mich aber erinnere, diese alte Frau. Damals kam abends eine ältere Frau auf die Station. In unser Zimmer, dass ich mit zwei weiteren Damen teilte. Ein Zimmer mit zwei Frauen und einem Kind. Diese eine Frau, sie sprach kaum. Und als Sie sprach, lächelte Sie mich an, zeigte zum Fenster und meinte: *Wie rot es doch ist. Das Abendrot, es leuchtet. Schau doch wie schön es ist!*. Rief die ältere Dame. Doch da war kein Abendrot und auch die Sonne, ihr Leuchten hatte die Kraft verloren. Das Dunkel zog über die Bergkuppen und nahm das Tal ein. Ich wusste, Du bist auf Deinem Weg. Ich hätte zu gerne gewusst, wer Du warst. Mitten in der Nacht, als sie Dich aus dem Zimmer schoben. Dein Platz leer blieb. Man teilte mir am nächsten Morgen mit, dass Du gegangen bist und die Sonne zog über das Tal hinauf in ihren höchsten Stand. Als Kind war ich begabt, äusserst begabt, wenn man dem so sagen will, aber diese Begabung war auch ein Fluch. Ein Fluch, den man geheim halten musste, mit dem man alleine war. Niemand der einem half oder einem unterstützte. Damals kannte man das alles nicht und so war ich hilflos, überwältigt und auch überfordert. Diese mentale Begabung, ich verfluchte sie so sehr, streifte es so gut es ging ab und konnte es nie mehr aufnehmen. Auch nicht als ich im Jahre 2016 und 2017 die Lehrzeit des Schamanismus und Tierkommunikation aufnahm. Ich konnte zwar an vieles wieder anknüpfen, aber so frei, so unbefangen, so empfänglich wie als Kind, war ich nicht mehr. Der Druck, den ich mir auferlegte, wurde zu stark und ich entschied mich, diese Gabe schlummern zu lassen. Vielleicht irgendwann einmal? Während dieser Zeit lernte ich aber auch das Reisen zu lieben. Irland ein grosser Traum von mir. Noch heute denke ich gerne zurück. Die verrückten Strassen. Das Strassenleben die Menschen, die tanzten, lachten, plauderten und dennoch des Weges gingen. All die Mythen, der Zauber. Als wir in Zürich landeten, begann ich zu weinen. Noch nie, wirklich noch nie wollte ich NICHT nach Hause und einzig und alleine unseren Tieren ist es zu verdanken, dass ich zurückkehrte. Denn als wir hier landeten und ich all diesen Menschen zusah, sah ich wie tot sie doch alle waren. Leer, stumpf. Wo war hier, all die Lebensfreude? Das Lachen in einem mit Strohdach bedeckten Schuppen? Guinness, das schmeckte, wie keines auf dieser Welt. Und Menschen, so fremd wie die Welt, die einem aus heiterem Himmel, ihre Lebensgeschichte erzählten und uns den grossen Reisesegen mitgaben. Wo war all das hier? Und ich erinnere mich. Damals als Kind, wir waren eine Grossfamilie und hatten alle unsere Sorgen, Probleme und Streitigkeiten. Doch wenn Feierlichkeiten, Feste, Geburtstage anstanden, dann feierten wir. Wir feierten, als gäbe es kein Morgen. Wir lachten, tanzten und fühlten uns frei. Und man möge mir glauben, der Alkohol war nur ein geringer Teil. Es war viel mehr, die pure Lebensfreude, die zum Vorschein kam.
Durch meine Lehrzeit lernte ich vermisste Tiere zu finden. Tote Tiere aufzuspüren und ja natürlich ich durfte auch mit lebenden Tieren arbeiten.
Doch das wohl eindrücklichste Erlebnis und für mich die höchste Auszeichnung war, als unsere älteste Tochter erkrankte und ich sie langsam wieder ins Alltagsleben einführte sowie meinem Mann mithelfen durfte, sein Leben zu retten. Auch wenn es kleine, vielleicht für viele unbedeutende Dinge waren und sind. Für mich waren sie von grosser Bedeutung. Im Oktober 2024 durfte ich dann erfahren, dass meine Gabe nach wie vor da war, wenn ich ohne Druck geschehen lies. Es war bis anhin das wohl tiefgreifendste und schönste Erlebnis. Die Kontaktaufnahme zu einem verstorbenen jungen Mann - Elija.
Als unsere älteste Tochter sich für den Beruf Bäcker/Konditor entschied und frohen Mutes einstieg, entpuppte sich diese eine Lehrstelle als Machtspiel der Diskriminierung und Mobbing. Sie wurde gestossen, verachtet und demoralisiert in jeder Ecke, in jedem Winkel, in all Ihrem Tun. Der Lehrmeister war zu jung, oftmals nicht vor Ort, sein Vater roh in sämtlicher Denkweise und die Mitarbeiter durch ihre Angst neidvoll und eifersüchtig. Acht Wochen vor der grossen Abschlussprüfung lag Alexandra im Krankenhaus. Sie war ein Notfall. Sie hatte einen Anfall, weil Ihr Körper Sie stoppte. Neurodermitis vom Scheitel bis zur Sohle. Ihr gesamter Körper aufgedunsen und schuppig. Die gesamte Hautfläche begann sich zu schuppen. Das wohl grösste Lebensorgan, das nicht nur unsere inneren Organe schützt. Ich erlebte ein Wesen, das in der Schule gepeinigt und nun in der Lehrzeit vollends erniedrigt wurde. Die Ärzte winkten ab. Lehrstelle, Lehrzeit aufgeben. Keine Arbeit, allenfalls eine Therapie und wer weiss was für ein Leben ohne Lehrabschluss? War Ihr das vorbestimmt? Acht Wochen vor der grossen Prüfung? Vor dem grossen Abschluss? Ich wusste erst keine Möglichkeit Ihr zu helfen und bot meine Mentorin auf. Doch unsere Tochter winkte ab. Das Vertrauen war gebrochen, die verzweifelten innerlichen Schreie grauenvoll. Ich nahm all meinen Mut zusammen und begann, gegen das gelehrte Gesetzt der schamanischen Lehre zu arbeiten. Anders konnte niemand mehr Sie erreichen.
Selbst aufs äusserte verwundbar, sind die Liebsten, die eigene Achillessehne. Doch wie sollte einer jungen Seele sonst geholfen werden? Den Körper zu heilen war das eine, doch die geschundene Seele? Ich hatte keine Ahnung, ob ich es schaffen würde, noch ob ich überhaupt die Fähigkeit dazu hatte und ob ich Ihr Inneres überhaupt erreichen konnte, aber ich entschied mich für den Pfad des friedvollen Kriegers. Andreas hielt uns den Rücken frei und stand hinter uns. Den Ansturm des Lehrbetriebs hielt er auf und ich begann mit unserer Tochter zu arbeiten. Schritt für Schritt, Tag für Tag. Zu wissen, zu erleben wie es ist, wenn ein Mensch sich plötzlich einfachen Dingen erfreut. Die einfachen Blumen sieht, sich daran erfreuen kann, die kleine Welt der Amphiben, wie Frösche bestaunt und das Leben plötzlich in intensiven Farben erlebt. Wenn Dein Kind plötzlich wieder lächelt und in aller Stille der Natur staunt, wie es beginnt, den Atem des Windes einzusaugen und zu atmen, sind tiefgreifende Momente. Wir mussten damals die Ärzteschaft umgehen. Denn die Tochter hatte keine Erlaubnis mehr, sich wieder ins Berufsleben einzugliedern. Sehr starke Medikamente und mit unglaublichem Mut, begann sie stundenweise für die Prüfung im Lehrbetrieb zu üben. Eine Prüfung, die es gemäss Lehrbetrieb so nicht geben sollte. Schritt für Schritt, Tag für Tag. Mehr wurde nicht erlaubt. Ich arbeitete im Hintergrund weiter und bot alles an Kräften auf, was ich kannte und aufbieten konnte. Schritt für Schritt kämpfte wir uns zurück, bis dahin, wo ein friedvoller Krieger los lässt…
Wo bist Du? – Hier
Wie spät ist es? – Jetzt
Was bist Du? – Dieser Moment
Dieser eine Moment, er gehörte nur Ihr. Niemand teilte Ihr mit, ob Sie die grosse Abschlussprüfung bestanden hatte. Obwohl Ihr Lehrmeister es schon lange wusste. Sie, welche ohne Hilfe im Betrieb Unglaubliches geleistet hatte. Ihr Lehrmeister und die Ausbilder nahmen nicht an der Diplomfeier teil. Niemand erschien, niemand zeigte sich und Sie? Da stand Sie, wartete. Etwas unsicher, nicht wissend, hat es gereicht? Darf ich auch da hinauf? Auf diese Bühne? Strahlen, mit all den anderen und wissen, ich habs geschafft? Mit Bestnote und nominiert für die SwissSkills, wurde Ihr Name aufgerufen und Sie betrat die grosse Bühne….
Wo bist Du? – Hier
Wie spät ist es? – Jetzt
Und was bist Du? – Dieser eine Moment!
Ich richtete meinen Dank an meine Spirits und wusste der friedvolle Krieger hatte gesiegt. Ein friedvoller Krieger weiss um sich selbst. Er verspürt keine Angst, weil Angst den Hass, die Eifersucht, den Neid schürt. Ein friedvoller Krieger ist bereit zu kämpfen, sich zu verteidigen. Er ist aber auch bereit die Hand zu reichen.
Und ja es war ein unglaublicher Moment! Solche Momente durfte ich auch bei unseren anderen beiden Kindern erfahren. Immer auch im Bewusstsein, dass ihnen nicht alles in den Schoss fiel. Das auch junges Leben zeitweilen alleine durch machtvolle Stürme des Lebens reisen muss. Das sie manchmal verzweifeln, wütend, enttäuscht und hadern mit der Zeit, den Geschehnissen, den Umständen, mit dem Leben? Und dennoch Schritt für Schritt weiter gehen.
Im 2019 folgte eine unglaubliche Gradwanderung. Mich zog es wieder definitiv ins Zuchtleben zurück, nachdem ich zwei Jahresausbildungen genossen hatte und ein weiteres Jahr in der Kräuterheilkunde verbrachte. Ich spürte immer mehr, wie es mich wieder in die Zucht zurückzog und dieses Mal nicht euphorisch, nicht voller Eifer, sondern geerdet, ruhig und besonnen. Aber vor allem auch eines, gefestigt. Doch bevor sich wieder alles in die normalen Gänge unseres Alltages begeben sollte, wurde ich ein weiteres Mal ungewollt aufgeboten. Damals als Andreas eines Tages in Sekundenschnelle ins Krankenhaus eingeliefert wurde. Als Notfall. Am Morgen noch in Ferienstimmung, geplaudert, beim Shopping mit der ganzen Familie, sass ich um die Mittagszeit wartend im Krankenhaus. Nicht wissend, was los war. Die Schmerzen, die Andreas hatte, schwollen blitzschnell an. Sie erreichten in seiner Bauchgegend einen unglaublich, hohen Schmerzpegel. Er krümmte sich, konnte nicht mehr nach Hause fahren, ertrug kein Kleidungsstück auf seiner Bauchdecke. Sein Körper schüttelte sich durch und es war, als ob nichts und niemand es aufhalten konnte.
*Uli in den Notfall, ruf an!*
Ich handelte, nachdenken war nicht gefragt, einfach handeln. Ich fuhr. Wie? War nicht die Frage, es musste alles schnell gehen. Im Notfall wurde er in Empfang genommen und ich kam in die Warteschlaufe im Wartezimmer. Doch aus Minuten wurden Stunden. Der Morgen zog in die Mittagszeit. Ich sah Ärzte eilig hinauslaufen, sah in Gesichter, die wussten was los war. Die Mittagszeit verging und ich wurde aufgefordert nach Hause zu gehen. Kein Zeichen, keinen Kommentar und keine Mitteilung von Andreas. Ich fuhr nach Hause erledigte irgendwie das Nötigste, denn die Zucht musste am Laufen bleiben. Der Wohn- und Lebensbereich aller, musste sauber gehalten werden und bleiben. Irgendwann dann, das Telefon klingelte, am anderen Ende Andreas. Er lachte und teilte mir mit, dass er gleich in den Operationssaal kommen würde. Ich schrie ihn an, weil ich es nicht spassig fand. Dann erst wurde mir mitgeteilt, dass mein Mann unter Lachgas stand, ein Medikament, dass seine unglaublichen Schmerzen ausschalten, lies. Sein Gedärm war an seine Bauchdecke verwachsen. Es wuchs nach der Gallenblasenoperation vor ca. 5 Jahren an seiner Bauchdecke an. Dadurch begannen die Wucherungen und ein Darmverschluss war unumgänglich. Als man die Ursache, seiner Schmerzen suchte und über die alten Operationsnarben ins Innere wollte für eine Spiegelung, durchtrennten die Aerzte versehentlich die Gedärme und somit begann der Wettlauf mit der Zeit.
Es wurde sofort ein Aufgebot gestartet. Die nötigen Aerzte wurden sofort aufgeboten. Der Operationsraum bereit gemacht. Was los war, erfuhr ich nicht. Doch sein Darm hatte eine Schnittstelle, die sofort verschlossen werden musste. Auch die Verwachsung musste gelöst werden und das war nicht so einfach. Andreas Gedärm wurde vorsichtig von der Bauchdecke abgelöst und durchspült. Der komplette Darm war ausserhalb seines Körpers. Danach wurde die Schnittschnelle vernäht. Doch würde es halten? Und würde ein Darm sich wieder einspielen, der ausserhalb des Körpers lag? Gemäss Gespräch der Operationsärztin sind Gedärme sehr empfindlich und können ihre Funktion einstellen. Zumindest wurde es mir so aufgezeigt.
Andreas musste über drei Schritte gehen.
- Schritt – die Operation überstehen
- Schritt – die Nacht überstehen
- Schritt - Sein Darm musste die Tätigkeit wieder aufnehmen. Er musste erst die Flüssignahrung halten und dann die Festnahrung.
Einen Grad zu gehen und zu wissen, es kann jeden Moment die Entscheidung fallen und auf eine Seite kippen, ist ein seltenes und zugleich auch seltsames Gefühl. Was würde ich künftig sein? Eine verheiratete Frau oder eine Witwe? Die Kinder hatten wichtige Prüfungen. Wir durften, ja konnten es ihnen nicht sagen. Damals als Alexandra und ich, den Tagesablauf so normal wie möglich hielten und doch wussten, was in einem Krankenhaus in einem Operationsaal ablief. In diesem einen Augenblick, in diesen Minuten. Das bleibt wohl unvergesslich. Und genau in diesem einen Moment, zeigte sich Andreas Mutter zum ersten Mal nahbar. Die Differenzen wurden beiseitegelegt. Denn jetzt war die Familie, der Halt das Wichtigste. Und diesen Halt benötigte ich dringend. Nach vier Stunden kam die Nachricht, die Operation war beendet. Der Patient im Aufwachraum, aber nicht ansprechbar. Für mich gab es kein Halten mehr. Unsere älteste Tochter begleitete mich. Man gab uns zu verstehen, dass wir lieber zu Hause bleiben sollten. Das wir bis zum nächsten Tag warten und geduldig sein sollten. Das konnte ich nicht! Spät abends besuchte ich Andreas. Obwohl die Operation um 18.00 Uhr vorbei war, war er auch später nicht ansprechbar. Vierzehn Schläuche hingen an Ihm und Du hast geschrien. Doch mehr Morphium konnten sie Dir nicht mehr geben. Unsere älteste Tochter verlor den Boden unter den Füssen. Der Schock war zu gross! Ich aber wusste, ich kann nur so atmen und zusammen schaffen wir es. Du hast meine Hand gehalten, hast an ihr gezehrt. Du wolltest Dich mit meinem Körper bedecken. Ich spürte, wie die Welle des unmenschlichen Schmerzes kam. Wieder nahm ich all meinen Mut zusammen und begann zu arbeiten. Was blieb mir auch anderes übrig? Zuzusehen? Nichts tun? Ruhig sprach ich mit Dir. Welle um Welle nahmen wir. Ich sah all die blutverschmierten Lappen, sah die Herzaussetzer, welche die Maschine anzeigte, und blieb in meiner Arbeit. Was hätte ich auch tun sollen? Und wohin hätte ich gehen sollen, als hier bei Dir zu bleiben?
*Gehen Sie nach Hause Frau Gort. Versuchen Sie zu schlafen. Sie brauchen ein wenig Ruhe. Wir werden Sie umgehend benachrichtigen. Er muss es nun alleine schaffen. Diese eine Nacht. Aber es wird immer jemand bei ihm sein. Gehen Sie!* Befahl die Operationsärztin mit sanfter Stimme. Zuhause hielten wir uns fest umschlungen und wussten doch, wir konnten diese Nachricht nicht mit unseren anderen Kindern, mit unseren anderen Geschwistern teilen. Ich versuchte zu schlafen. Das Natel griffbereit in meiner Hand. Ich wollte so gerne Deine Stimme hören. Wollte das dieses verdammte Ding klingelt und wusste es darf niemals klingeln. Denn hätte es in dieser einen Nacht geklingelt, wäre es ein Abschied gewesen für immer….
Heute weiss ich, es war ein besonderer Lebenseinblick. Ein Einblick, der mich heute verstehen lässt, wie es vielen Menschen auf dieser Welt ergeht, wenn ein Lebenspartner, ein Kind, ein Freund im Sterben liegt. Niemand kann diese Augenblicke in Worte fassen. Zu fühlen und zu verstehen, übersteigt jegliche Denkweise.
Andreas schaffte die eine Nacht, auch die Flüssigkeitsaufnahme konnten seine Gedärme halten. Doch die Festnahrung nicht. Er begann zu erbrechen und das hies, eine weitere Operation. Die Erfolgschancen standen nicht gut, aber wenn die Festnahrung den Darm nicht passieren konnte, wenn das Gedärm nicht arbeiten wollte, war alles was man tun konnte, eine weitere Operation, deren Ausgang auch für das Aerzteteam nicht ganz abschätzbar war.
Andreas hatte Angst. Er zeigte mir wie hell die Abendsonne leuchtete. Wie schön das Abendrot war und ich wusste was zu tun war. Denn ich war nicht bereit, ohne Dich durch dieses Leben zu gehen. Ich bot alles auf, was mir zur Verfügung stand. Niemals wieder habe ich so gearbeitet. Niemals wieder. Damals aber tat ich es. Ich sah den grossen Kreislauf, verstand das ganz grosse Universum. Zuhause stellte ich Kräuter zusammen. Ich hatte nur einen Versuch und nur diese eine weitere Nacht. Also brachte ich Andreas eine Kräutermischung. Kräuter von unserem Kräutergarten. *Trink! Und lass es immer so lange ziehen, wie ich Dir sage*.
Andreas bestellte an jenem Abend Teewasser. Er bestellte es die ganze Nacht durch, den kommenden Morgen und auch am nächsten Tag darauf. Er lies die Kräutermischung exakt genau und so lange ziehen, wie ich es ihm mitteilte. Kleine Schlucke und immer wieder. Langsam begann der Darm zu arbeiten. Und die erste kleine Mahlzeit kam. Er rief mich an, fragte was er von dieser kleinen Mahlzeit essen durfte und Step by Step nahm sein Darm die Tätigkeit wieder auf. Die Kräutermischung war ein Balsam für das Gedärm. Wie eine Mutter, die Ihr Kind auf den Schoss nimmt und es wiegt, damit seine Tränen versiegen und der Kummer verfliegen kann. Die Kräutermischung half dem Gedärm den Schock zu überwinden. Schon bald musste Andreas nicht mehr fragen. Auch die Kräuter nicht mehr verheimlichen. Seine Pflegeschwester brachte, wann immer der Krug leer war, heisses Teewasser und ich wurde plötzlich in seine Wundversäuberung miteinbezogen. Zu beginn, ein Loch so gross wie ein Fünfrankenstück mitten in der Bauchgegend zu sehen, es zu reinigen, war erst nichts für mich. Nichts für zarte Gemüter. Aber es war eine Arbeit. Man dachte nichts, man machte es. Nach 13 Tagen intensiver Pflege durfte Andreas nach Hause. Von Leben war noch keine Spur. Er durfte nach Hause und schlief sich gesund und langsam ins Leben hinein. Bis alles wieder so war, wie es war, verging ein halbes Jahr. Zu all dem kam eine Art Depression, die Andreas Lebensfreude nahm. *Lebe! Hörst Du! Lebe, geniesse, benimm Dich doof, mach was Dir Freude bereitet, aber lebe!* Ungläubig sah er mich an. *Uli, ich weiss im Grunde nie, wann es wieder so sein wird*
*Ich weiss, ich weiss und genau deshalb, darum – lebe!* Ich begann Andreas meine Sichtweise des Lebens zu erklären.
Im Grunde ist es ganz einfach. Niemand weiss, was kommen wird. Wie lange leben wir? Wie lange sind wir gesund? Darum lebe! Lache, als gäbe es nie ein Morgen. Weine, wenn Dir danach ist, als wäre es das Letzte. Tanze, als gäbe es niemals je wieder die Möglichkeit dazu und feiere, wann immer es Dir möglich ist. Weil niemand weiss, was morgen sein wird. Ich weiss, dies alles ist nicht einfach. Denn gerade wir Menschen, insbesondere wir Frauen, machen uns das Leben leider nicht immer einfach. Wir sehen das gerade hier in Italien, Voghera am Country Festival. Anstelle sich der Musik zu erfreuen, zu tanzen, weil es gefällt, hat so manche Frau und vor allem junge Frau! Mühe. Das andere könnte besser, schöner oder begehrenswerter sein? Was für ein Scheiss! Schönheit liegt im Auge des Betrachters. Jeder Mensch hat etwas Schönes an sich, dass ihn strahlen lässt. Egal welchen Lebensrucksack wir tragen müssen, wir sollten ganz einfach den Moment, diesen einen Moment geniessen und voll auskosten. Denn das ist Leben!
Andreas blühte immer mehr auf. Heute lebt er! Er tanzt! Er lacht 😊 Ein völlig stocksteifer Mann, dem Hüftschwung ein Gräuel war. Hört er ein Lied, dessen Tanz er beherrscht, kann es schon mal vorkommen, dass ich meinen Mann suche und frage: *Wo ist eigentlich Andreas?*
Dennoch musste auch ich einsehen, dass der Kreislauf seine Forderung hat, weil es ein Kreislauf, der grosse Lebenskreislauf ist. Ein Leben für ein anderes. Wir hatten damals einen Wurf kleiner Kätzchen. Nadja kümmerte sich rührend um die Zwerge, während die älteste Tochter und ich zwischen Krankenhaus und Heim hin und her pendelten. Unter diesen Kätzchen war auch ein kleiner Katermann Fadin war sein Name. Als wir eines Morgens vom Einkauf nach Hause kamen, öffnete Andreas die Türe und schob mich sofort wieder nach draussen. Fadin kletterte über das Treppengeländer. Und wenn es auch hoch genug war, das Geländer hatte dennoch eine kleine Öffnung, durch die er hindurch schlüpfte und hinunterfiel. Er konnte nicht mehr gerettet werden. Auch wenn unsere Hündin es verzweifelt versuchte. Sie wachte nicht nur bei ihm, sie wusch ihn in der Hoffnung, dass er aufwachen würde. Doch die Massage brachte ihn nicht mehr zurück. Fadin war aus einer zu grossen Höhe gestürzt und somit schloss sich der Kreislauf. Der Kreislauf des Lebens. Als ich den kleinen Katermann in meine Arme nahm und mich auf die Treppe setzte, weinte ich fürchterlich. Das Schuldgefühl war schrecklich. Auch Andreas war benommen, er wusste instinktiv, dass dieses eine Leben für ein anderes galt – SEINS. Dennoch gab Fadin uns auch einen Gruss mit auf den Weg: Es war schön bei Euch 😊
(In Gedenken an Dich, mein kleiner Katermann)
Und nächstes Mal geht diese Reise weiter.
Herzlichst
Ihr
A-Riverway