Grüezi und herzlich Willkommen

Ich nehme Sie mit auf eine Reise….
20. Kapitel: Kaltes Eis
(Vom Jahr 2013 gehen wir nochmal rückwärts zum Jahr 2011, genauer 10. August 2011)
Als Du geboren wurdest!
Gelebt hatte sie eigentlich im Grunde genommen auf den Bäumen. Nachts wenn alles schlief, kam sie und nahm Nahrung zu sich. Tagsüber blieb sie auf den hohen Aesten, damit niemand sie angreifen konnte.
*So geht’s nicht Andreas!* Ich beobachtete schon länger, wie sich Astrid bei uns eingliederte. Hier geboren und im Kittenschutz angenommen, wurde sie irgendwann im jungen Teeniealter verstossen, gemobbt und ausgegrenzt. All die guten Ratschläge, Therapiearten funktionierten nicht. Die gesamte Katzen-Damen-Gruppe war sich einig: *Weg mit ihr. Fort von hier!* Hätten wir Astrid kastriert und umplatziert, wäre hier die Weisszucht beendet gewesen. Feinste Linien aus dem hohen Norden, doch das Tier litt. Andreas war aber nicht gewillt, die Weisszucht einzustellen und Astrid umzuplatzieren. Also begann ich auf meine Art und Weise und aus der Sicht des Menschen mit ihr zu arbeiten. Ich lies Astrid nachts nicht mehr in den offenen, gesicherten Katzengarten. Und die anderen Mädchen mussten erst mal lernen, dass des Nachts der Wohnbereich, nicht mehr ihr Reich war. Sie hatten den Wintergarten mit angrenzendem Katzengarten zur Verfügung. Gefallen hat das der Katzenfamilie wohl gar nicht. Aber Astrid gab es nachts Luft zu atmen und erst Mal Ruhe zu haben.
Scheu und zurückgezogen, wie sich Astrid erst mir präsentierte, wagte nachts immer mehr. Ungezwungen sich zu bewegen, davon waren wir aber noch weit entfernt. Tags lies ich den Wohnbereich für alle Katzenmädchen offen und zur freien Verfügung. So konnte jede Katze selber entscheiden, wo es weilen wollte. Im offenen, gesicherten Katzengarten, im Wintergarten oder im Wohnbereich. Anfangs suchte man sie. Doch Astrid wusste sich zu verstecken und verschlief den Tag, die Woche, die Zeit. Langsam begann Astrid zu spüren, dass wenn sie im Hausinneren gemobbt wurde, die Zweibeiner sich vor sie stellten und zurückgaben, mit Fauchen, und Knurren. Die anderen Katzenmädchen begannen zu verstehen, dass diese weisse Hexe unter besonderem Schutze stand und wehe dem, der es wagte! Wurde Astrid aber akzeptiert und in Ruhe gelassen, wurde das entsprechende Katzenmädchen auch ausgiebig gelobt und nach Strich und Faden verwöhnt. So gewannen wir auch tagsüber immer mehr Zeit und Astrid Bodenfreiheit. Langsam begann Astrid sich zu einer stillen Herrscherin zu mausern. Wurde sie angegriffen, erklang ein tiefes, dunkles Grollen durchs Haus. Astrid begann sich zu wehren und wenn sie sich wehren musste, schlug sie hart, schnell und ohne Kompromisse zurück. Schon sehr bald wurde Astrid zur unangefochtenen Ranghöchsten im Wohnbereich. Draussen hielt sich Astrid nicht mehr auf. Sie weilte gerne auf unserer Dachterrasse und im Wohnzimmer. Alles andere interessierte sie nicht mehr.
Wenn Astrid durch die Gänge stritt, war es kein Flehen, keinen Kuschen, keine Vorsicht mehr. Leise, voller Stolz und kraftvoll schritt Astrid voran und niemand mehr stellte sich ihr in den Weg. Wir Zweibeiner hatten längst aufgehört, uns vor Astrid zu stellen. Doch nach wie vor, war Astrid nicht mein Liebling. Dazu mochte ich die Farbe Weiss nun wirklich nicht! Für mich musste damals eine Katze dunkel sein. Vielleicht noch mit einer Musterung, aber nicht hell und schon gar nicht Weiss wie Schnee!
Astrid fühlte sich wohl bei uns. Sie begann plötzlich wie ein einschlagender Blitz durchs Haus zu rennen. Treppe hoch, Treppe runter. Gurrend kletterte Sie den Kratzbaum hoch, um in einem gewaltigen Satz auf dem grossen Arvenmöbel zu landen. Dann legte Sie sich gerne nahe an unsere Köpfe, wenn wir auf dem Sofa weilten und schnurrte leise und tief. Diese Fröhlichkeit, diese Unbeschwertheit ohne Kummer und Sorgen gefiel mir. Lies mich lächeln, ließ mich fröhlich mit Astrid plaudern, führte mich dazu, sie zu streicheln und je mehr es mich anzog, diese Art und Weise von Astrid, desto mehr begann ich mich in Ihren Charakter zu verlieren und begann dieses Wesen von ganzem Herzen zu lieben. Denn Ihre offene Art sich zu amüsieren, diese fröhliche, quirlige Art widerspiegelte auch mein Inneres und ließ mich oftmals an meine Kindheit denken, wie ich damals als Kind war.
So leise wie Astrid sich bewegte und dieses leise Bewegen, war nicht aus Angst oder Furcht. Astrid hatte eine Gangart, die stolzer wohl nicht hätte sein können. Wenn sie durch den Hausbereich schritt, war es in einer Art und Weise, die manch Besucher verzauberte und sinnieren ließ, wie stolz dieses Wesen doch war und ja, das war sie auch.
Manchmal war Astrid wie ein Geist, tauchte urplötzlich auf und niemand wusste, wo Sie war, noch von wo sie her kam. Dadurch das Astrid auf leisen Sohlen daher kam, war Astrid wohl auch die einzige Norwegische Waldkatze in unserem Haus, welche sich nachts, ohne Laut, durch unser Schlafgemach bewegte. Sie hatte längst begriffen, dass der Chef seine Ruhe benötigte und legte sich zusammengerollt erst auf die Bettkante am Fussende. Später lag Astrid immer an meiner linken Kopfseite. Sie rollte sich nicht mehr ein. Lag in voller Pracht da, beobachtete mich und schlummerte mit mir ein. Manchmal kroch Astrid unter meine Decke, legte sich nahe an meinen Bauch. Ich spürte Ihr weiches Haarkleid, hörte das tiefe, leise, entspannte Schnurren und wann immer ich die Decke hochhielt, blickten mich diese verschiedenfarbigen Augen tiefgründig an.
Astrid nahm jedes Kätzchen an. Jedes Kitten wurde von Herzen gehegt und gepflegt, auch wenn andere Muttertiere Ihr fauchend begegnete. Sie spielte Fangen mit ihnen, pflegte sie und versorgte die Zwerge. Das Muttersein, war eine Aufgabe, die Astrid aufblühen liess. Es gab nichts Schöneres für Astrid, als mitten in kleinen, wusselnden Pfoten zu liegen, die kleinen Körper mit Ihrer Wärme, Ihrem prächtigen, schneeweissen Haarkleid abzudecken, einzukuscheln und zu wärmen.
Astrid wurde meine tiefste Verbündete! Mein Ratgeber, meine weise Führerin. Sie liess mich teilhaben, zeigte mir Geduld, zeigte mir was Anderssein bedeutet, dass Anderssein auch eine Chance sein kann. Astrid war geduldig mit mir, wusste wie betriebsam ich doch war und das hier immer viel los war. Das störte Sie nicht. Denn abends, in der Nacht, manchmal erst wenn ich mitten in der Nacht erwachte, sahen tiefgründige Augen mich lange und ruhig an.

Damals als wir Astrid ziehen liesen, es war an einem Freitag 12. Januar 2024, ich wollte es nicht. Hab mich geweigert. Auch da war Astrid geduldig mit mir. Eine Woche musste sie leiden, bis ich es akzeptieren konnte. Für Sie war es in Ordnung. Einfach und klar zeigte Astrid mir auf, dass es nun so weit war und gut war, so wie es war. Sie konnte mich abends, in der Nacht nicht mehr besuchen. Nicht mehr mit mir zusammen schlummern und immer mehr verliessen Ihre Kräfte Sie. Sie konnte sich nicht mehr behaupten und in der Natur, wäre Sie wohl verstossen worden, um alleine zu sterben. Ich wickelte meinen Seelengefährtin in eine weiche Decke und zusammen zogen wir los, bis dahin, wo ich stehen bleiben musste. Du aber bist auf und davon. Weil ich Dir sagte: *Los, geh schon! Es ist okay. Lauf meine Schöne, ich bleib noch ein bisschen und halte hier die Stellung.*
Ich weiss, es gibt nicht viele, die mir Glauben schenken mögen und schon gar nicht wenn es um eine unsichtbare Welt geht. Doch eines Nachts, als ich mich niederlegte, spürte ich an meiner linken Kopfhälfte diese Wärme, fühlte das tiefe, leise Schnurren und wusste, Astrid ist da.
Heute wenn ich mich nachts zur Bettruh begebe, folgt mir lautstark und mit grossem Geplauder eine schneeweisse, samtige Schönheit. Scheu und ängstlich, aber dennoch stolz bewegt Sie sich. Wenn ich mich etwas zu hastig drehe oder bewege, duckt Sie sich und glaubt davon rennen zu müssen. Doch liege ich im Bett und rufe Ihr, lässt Sie sich nicht zweimal bitten und plaudert, trettelnd auf meiner Bettdecke munter drauflos. Ich erzähle Ihr ab und an von Ihrer Mutter. Augen tiefgründig und in einem strahlenden Grün sehen mich lange, schweigend an. Wenn ich meine Erzählungen beende, mich in meine Decke einwickle, liegt Sie nahe an meiner linken Kopfhälfte. Zusammen schlafen wir ein, bis ich in der tiefen Dunkelheit erwache. Weiches Haar wärmt meine Bauchseite und ein Kopf liegt sachte auf meinem Unterarm. Vorsichtig hebe ich die Decke an, luge unter sie und erkenne diesen tiefgründigen Blick, der mich sagend, verstehend und liebevoll betrachtet. *Deine Mutter, lag oftmals bei mir, weisst Du das? Gypsy!*. Sachte lasse ich die Decke nieder. Gypsy verlässt die dunkle Kuschelhöhle, irgendwann dann, wenn es passt und zieht still durch das dunkle Haus. So wie einst Ihre Mutter.
Und nächstes Mal geht diese Reise weiter.
Herzlichst
Ihr
A-Riverway