Grüezi und herzlich Willkommen

Ich nehme Sie mit auf eine Reise….
19. Kapitel: Der Krieger und der Kämpfer
Es wird nicht leicht, je näher es sich dem Ende zuneigt…
(Song Marjorie – Taylor Swift)
Im September 2011 reisten wir einmal mehr nach Italien, in die Dolomiten. Ich hatte da ein Kätzchen gesehen. Schwarz Silber. Aber ich kann mich nicht einmal mehr an den Ort, noch an die Zucht erinnern. Ich weiss nur noch, wie wir im Wohnzimmer auf Dich warteten.

Warrior della Terra die Laghi
Warri, wie wir ihn liebevoll nannten blieb 4 Jahre bei uns. Im Oktober 2015 zog Warrior um. Wie es ihm ergangen ist? Wie es ihm geht? Ich weiss es nicht. Ein einziges Mal erhielten wir Nachricht von seinem neuen Besitzer. Man hatte eine Tierkommunikatorin eingeschaltet und hat uns gescholten, was für schreckliche Menschen wir doch waren, weil wir die Tiere benutzten und umherschoben…
Als Züchter zu wissen, was gut ist, ist so denke ich, nicht einfach. Denn ein Züchter sollte ein Ziel haben. Den Rassestandard zu erhalten, ihn zu hegen, pflegen und/oder zu verbessern. Warum sonst sollte man züchten? Weil man kleine Wesen liebt? Wen dem so ist, sollte man lieber die Tierheime unterstützen. Weil viele Lebenwesen, jung oder alt, auf einen liebevollen Lebensplatz warten und das zu Recht. Man sollte nicht ohne Ziel züchten und einfach wahllos Jungtiere *produzieren*. Doch um einen typ vollen Rassestandard zu erreichen, ihn zu halten, muss man gewillt sein, mit sich selbst und manchmal auch mit seinem geliebten Freund kritisch, in der Standardbeurteilung zu sein. Und manchmal muss man gewillt sein, über den eigenen Schatten zu springen und eine geliebte Verbindung lösen.
Ein Richter erklärte uns einmal: *Jeder Züchter hat liebevolle Kätzchen. Wirklich jeder! Aber andere Züchter haben zusätzlich auch typ volle Kätzchen!*
Wenn Du als Züchter Deine Tiere liebst, aber begriffen hast, Du kommst in dieser Aufgabe nicht voran, dann wirst Du das erste Mal erkennen, was Schmerz bedeutet und spüren, wie sich Schuldgefühle anfühlen. Du wirst Dich als Verräter fühlen und dennoch entscheiden müssen, diese eine Verbindung zu lösen. Jeder Züchter hat ein besonderes Verhältnis zu jedem seiner Tiere. Und gerade dieses Verhältnis macht es nicht einfach, Entscheidungen zu treffen. Manchmal loszulassen und nochmals von vorne zu beginnen. Adieu zu sagen und zu hoffen, dass das geliebte Wesen anderswo ebenso oder vielleicht, hoffentlich noch mehr geliebt wird. Vielleicht hatte diese Tierkommunikatorin recht. Vielleicht lag Sie richtig, denn im Grunde benutzen wir sie, die Tiere….
Warri war ein stiller Begleiter. Sehr genügsam und sehr weich in seinem Charakter. Hier bei uns als potenter Bube zu leben, erfordert hart im Wesen zu sein. Eine gewisse Abgebrühtheit als Tier zu haben. Ein potenter Bube muss bei uns gewillt sein, nicht unbedingt am Leben im Haus teilhaben zu können. Ich, so glaube ich mich zu erinnern, spürte oder glaubte, wie Warrior leise litt. Er musste mit der Einsamkeit, der Natur, den Launen des Wetters fertig werden. Auch wenn da warme Katzenhäuschen waren, Menschen die zwar täglich vorbeikommen, besuchen und zum Rechten sehen, aber auch wieder gehen. So war und ist man als potenter Bube im A-Riverway doch auch viel alleine unterwegs und mit sich selbst beschäftigt. Doch nicht nur das weiche Wesen, welches Warrior zeigte, bereitete mir Gedanken. Auch die Vererbbarkeit, welche ich in seinen Kindern sehen konnte, bereitete mir Gedanken. Ich war im Begriff mich von meinem inneren Bild einer Norwegischen Waldkatze zu entfernen. Wollte ich das?
Ich trug mit jedem Tier, dass ich in den letzten Zuchtjahren umplatzierte einen immer stärkeren, inneren Kampf, ein inneres Ringen in mir aus. Was zu Beginn einfacher war, begann sich zu wandeln. Ich konnte nicht mehr, wollte nicht mehr *abschieben*. So war Warrior der Letzte, denn ich umplatzieren lies. Seit damals sind nun 10 Jahre vergangen und ich bin weiss Gott nicht stolz darauf, will es nicht mildern. Ich suche auch keine Ausreden. Kann ich nicht, will ich nicht. Es ist, es war so wie es ist. Heute 10 Jahre später war Warri bis jetzt die letzte Erwachsene Katze, die uns verlassen hat und umplatziert wurde. Alle weiteren Kastraten konnten wir in unsere bestehende Katzenfamilie eingliedern. Und wenn ich auch nicht stolz darauf bin, konnte sich mein Seelenfrieden doch etwas beruhigen. Ich möchte aber auch erwähnen, als Züchter jedes Tier zu halten, es zu behalten, ist nicht einfach und kann einen Tierbestand rasend schnell anwachsen lassen, was zu anderen erheblichen Problemen führen kann!
Im Jahre 2013, es war Frühling, vielleicht auch Sommer, irgendwo in Polen und ich sah Dich in den Weiten des Internets. Hätte ich widerstehen sollen?

Ich scrollte durch Facebook. Was ich öfters tat. Abends bevor ich mich zum Schlafen aufmachte. Gesucht habe ich nicht, weiss Gott nicht. Davon war ich nun geheilt und wenn ich scrolle, geht das jeweils sehr schnell. Die Dinge, Beiträge flogen förmlich an mir vorbei und dann Bumms! Etwas Rotes flitze an meinen Augen vorbei. Ich scrollte zurück. Warum, wissen wohl nur die Götter! Wie konnte ich nur so naiv sein zu glauben, dass ich stark genug sei. Denn ich war es nicht! Ich konnte nicht, ich WOLLTE nicht!
Dich zu beschreiben, Deine Erinnerungen noch einmal wachzurufen, ist ein grosser Fehler. Denn nun folgen Wesen, dessen Schmerz noch nicht abgeflaut, verarbeitet und begraben liegen. Und dennoch, mein Freund, eine jede Samtpfote ist es wert. Also werde ich auch über Dich erzählen, mein Freund. Mein grosser, weichherziger Kämpfer. Was wir zwei hatten, hatte sonst niemand. Diese Beziehung war so einzigartig, wie viele andere auch. Niemals ersetzbar! Nie!
Lange hast Du mich verschmäht. Weil Du genau wusstest, ich habe Dich gestohlen. Aus Deinem warmen Nest. Von Deiner Mutter, Deinen Geschwistern entfernt. Aus Deinem liebenswerten Daheim geholt und in die weite Fremde entführt. Du hattest keine Macht, keine Chance, denn was Menschen beschlossen, war besiegelt. Hier bei uns wurdest Du nach Strich und Faden verwöhnt. Du hast es genossen. Doch mich hast Du verachtend bestraft. Nicht eines Blickes gewürdigt und nur Deine Pflicht erfüllt. Die Kinder hast Du heiss geliebt. Auch unser Chef war in Ordnung, wie alle unsere Katzen und die Husky Damen auch. Nur ich, mich hast Du nicht beachtet. Ich hingegen hab Dich bewundert vom ersten Augenblick an und was war ich stolz, voller Freude, als Anna mir den Zuschlag gab. Du hast Dich zu einem Prachtexemplar an Norwegischer Waldkatze entwickelt und Deine Katzenkinder waren es ebenso. Doch ich spürte Deine Abneigung wohl. Deine Scheu, Dein Zurückziehen vor mir, wenn ich irgendwo auftauchte. Ich gab Dir Zeit, wollte nicht hetzen, nicht eilen. Ich hatte ja nichts zu verlieren. Denn Du warst ja schon hier! Doch irgendwann war gut. Auch wenn ich es hätte bleiben lassen können, nun war gut. Es reichte! Ich setzte mich zu Dir hin, draussen, dem Wetter ausgesetzt. Nahm Dich auf meinen Schoss, lies los und sagte zu Dir: *Geh doch! Doch vorher hör mir zu, dieses eine Mal nur!* Ich begann meine Seele zu leeren. In der Hoffnung Du würdest es verstehen. Vielleicht war auch alles genug! Alles, erzählte ich Dir, alles erklärte ich Dir. Gestand Dir meine Zuneigung, meinen Stolz, meine Freude und meine Wünsche. Ich war so sehr in Gedanken versunken, in das einseitige Gespräch, dass ich Deinen Blickkontakt zu mir erst gar nicht wahrnahm. Längst hatte ich aufgehört, Dich zu streicheln. Du hättest meinen Schoss einfach verlassen können. Denn ich hielt Dich nicht fest. Es war still und zwei Augenpaare betrachteten sich lange.
Seit damals liest Du mich Step by Step in Dein Herz. Zusammen sassen wir. Manchmal am Küchentisch, manchmal draussen im grossen Katzengarten. Wenn ich mein Mahl zu mir nahm, gab es für Dich jeweils auch einen Happen. So schmausten wir zusammen, wir kuschelten, und ich plauderte mit Dir. Wir sahen den Himmel, die Sonne, den Wind und manchmal im warmen Innern, dass garstige Wetter. Gerne hast Du im Wäschekorb geschlummert. Die Wäsche war weich, duftend. Immer mehr begannst Du nach mir zu rufen und wenn Du als Kastrat Deine Runden durchs Haus, durch den Garten zogst, riefst Du mir immer zur Begrüssung zu, wann immer Du mich sasst. Ich habe Dich so sehr geliebt, mein Freund und das wird auch immer so bleiben!











Als ich eines Tages Deine Geschwulst sah, wusste ich instinktiv, es wird knapp. Die Zeit lies uns nur gerade 14 Tage. Du hast es nicht verstanden, hast mich gerufen, gefragt: *Warum tust Du das?*, als Sie Dir die Spritze gaben. Du fielst zusammen, legtest Dich in die Arme meiner Tochter, hast erbrochen und konntest es nicht verstehen, weil dein Lebenswille doch noch stark genug war. Doch wie lange? Der Zungenkrebs war aggressiv und verhungern lassen war keine Option. Ich erklärte es, in all meiner Trauer, meiner Wut und Enttäuschung. Du hast angenommen, Dich verabschiedet und bist losgezogen, während meine Tränen unter Dein Fellkleid auf die Haut tropften. Ich hatte keine Wahl, als Dich zu einem Zeitpunkt gehen zu lassen, wo Dein Schmerz noch nicht voll ausgeprägt war. Dich zu heilen, wurde uns genommen. Eine Operation sollte es nicht geben, denn wie hätte eine Geschwulst an der Unterseite der Zunge entfernt werden können? Innert 14 Tage konnten wir sehen, wie Du begannst zu speicheln, die Zunge aus dem Mund hängen liest. Man gab Dir keine weiteren 2 Wochen.
Du fehlst Tristan. Längst haben wir gelernt, ohne unsere Weggefährten, ohne Dich zu leben und längst sind wir weitergezogen. Aber auch Du bleibst in meinen Gedanken und gehst neben mir her, wie alle anderen auch. Hätte ich doch nie angefangen zu schreiben!
Tristan verstarb an einem Freitag, 7. Juli 2023. Einen Tag, der einen Startschuss für ein unglaublich, kräftezehrendes Jahr symbolisierte, welches auf uns zurollte. Am 7. Juli 2024 wurden Deine Enkelkinder geboren und der Kreislauf schloss sich.
Und nächstes Mal geht diese Reise weiter.
Herzlichst
Ihr
A-Riverway